Fortsetzung von Mit Scandtrack in Schweden – Teil 1
Mittwoch, 28. Juli 2010:
Beim Frühstück werden wir vom Regen überrascht und müssen uns kurzzeitig ins Zelt zurückziehen, können dann aber doch bald das nächste Ziel ansteuern. Unser Ziel ist gleich die nächste, bereits sichtbare, größere Insel. Nach dem stressigen Tag gestern, wollen wir heute noch ausreichend Zeit am Rastplatz haben. Nach der Ankunft errichten wir sofort unser Lager, um allen Vorbeipaddelnden zu signalisieren, dass dieser Lagerplatz bereits belegt ist und ich beginne damit, die Riemen meiner Sandale mit einem Taschenmesser und Angelschnur zu vernähen. Ich freue mich über das Ergebnis und weitere 15 Jahre Tragbarkeit.
Im klaren Wasser sehe ich zwei fette Fische, die in aller Seelenruhe hinter meinem Blinker herschwimmen, und raste halb aus … nicht vor Begeisterung kann ich versichern! Zwar ist es gut zu wissen, dass es anscheinend auch richtig große Fische hier gibt, aber irgendwie fühle ich mich von den beiden Flossentieren verarscht, die scheinbar wissentlich, dass ich sie beobachte, bis wenige cm an mich heran dem Blinker folgen, um dann kurz vor dem Anbeißen wieder abzudrehen. Ich rüste die Angeln auf Köder um und gehe erst einmal fotografieren.
Zum Abendessen gibt es Reis mit mediterranem Trockengemüse, den wir im Sonnenuntergang auf den Felsen am Wasser in uns hineinschaufeln. Während ich fotografiere, nutzt Ines die Gunst der Stunde, um ein wenig zu blinkern. Wir sehen die Fische direkt in unserer Nähe sich ein paar Insekten von der Wasseroberfläche schnappen und einer versucht sich an dem Blinker. Leider wieder zu spät, aber immerhin gibt es auch heute wieder Fisch zum Nachtisch. Wir kurbeln das Feuer wieder an und Ines fällt den kleinen Flussbarsch mit Zwiebeln, um ihn anschließend in Alufolie zu garen. Er schmeckt noch besser, als sein gegrillter Kumpel vom Vortag und ich beschließe nach meiner Ankunft in Deutschland, die Rolle der Tschibo-Angel umgehend zu entsorgen und mir im Fachhandel eine vernünftige Rolle für die größere Angel zu ergattern.
Es ist 0.11 Uhr, die letzten Sonnenstrahlen konnte man noch um 23.30 Uhr am Horizont ausmachen und wir liegen im Zelt. Neben uns hören wir es fiepsen und rascheln, während eine kleine Rötelmaus durch die Heidelbeerbüsche rennt.
Donnerstag, 29. Juli 2010:
Unterbrochen von einigen kurzen, dafür äußerst windgen Momenten, regnet es nun schon seit dem ersten Augenblinzeln. Verlassen wurde das Zelt lediglich zum Frühstück unter der abgespannten Plane und für einige schnelle Minuten von mir, da ich mich kurz zum Säubern in den See setzte. Ines zog es vor, sich direkt im Zelt zu waschen. Pinkelpausen werde äußerst ungern und deswegen selten gemacht; was für Ines’ Blase jedoch ein gutes Zeichen ist, nachdem sich in den letzten Tagen eine leichte Blasenentzündung angekündigt hatte und Pinkelpausen in der Regel UMGEHEND eingefordert wurden.
Ansonsten besteht der Donnerstag, ebenso wie bereits der Sonntag, aus Lesen im Zelt und damit verbundenen Rückenschmerzen. Wir beschließen, den nächsten Urlaub im Hotel auf Malle zu verbringen. Falls wettertechnisch eine Besserung eintreten sollte, werden wir unser Angelglück heute mit Stockbrotteig statt Blinker oder Nudel versuchen.
14.58 Uhr, Ines verlässt das Zelt um zu pinkeln und um Schokolade zu holen. Es regnet nicht mehr! Aus Langeweile sägt sie Holz und trocknet Marmelade und Wurstgläser. Nach einer Weile traue auch ich mich aus dem Zelt und klettere auf die inzwischen extrem glitschigen Felsen um zu angeln.
Um 16.45 Uhr sind die Haushaltsarbeiten erledigt, was für den Himmel das Signal zu sein scheint, seine Luken wieder zu öffnen und uns wieder mit Regen zu beglücken. Mit dem Rücken zum Wind bemerke ich das etwas spät, sitze nun in Boxershorts im Zelt und hoffe, dass meine Hose möglichst noch heute irgendwie wieder trocken wird. Die Tafel Schokolade wird immer kleiner, Regen und Wind umso stärker. Wir lesen.
19.00 Uhr, es regnet! Haben Suppe gekocht und bemerkt, dass das Dichtungsgummi des Kochers anscheinend noch auf der letzten Insel liegt. Da wir heute jedoch bereits einige Kanus gesehen haben, die versuchten den See zu queeren und nach einiger Zeit wieder umkehrten, da der Wellengang zu gefährlich war – wie kann man so wahnsinnig sein, bei so einem Wetter überhaupt los zu paddeln? Bei dem Wind hätte man stattdessen mit dem Drachen fliegen können! – machen wir keinen Ruderausflug zur Vortagesinsel und lassen das Gummi Gummi sein.
Gegen 23.00 Uhr ist Ines’ Buch auch zu Ende gelesen, Schlafenszeit!
Freitag, 30. Juli 2010:
Regen, während wir noch in den Schlafsäcken liegen. Dann, ein Hoffnungsschimmer. Es wird etwas heller und das Prasseln auf der Zeltplane ist verstummt. Die Gelegenheit nutzen wir sofort, um unsere Homebase mit frischem Wasser und Frähstücksproviant neu auszustatten. Ines wäscht noch schnell ihre Haare im Eimer und schon fallen die nächsten Tropfen. Wir hätten in Norwegen bleiben sollen, da war das Wetter besser!
So gerne hätte ich heute meine Hose gewaschen, jedoch stehen die Chancen schlecht. Was momentan einmal nass ist, bleibt auch nass, solange man die Klamotten nicht anzieht und mittels Körperwärme trocknet. Die Variante, sich vom Wind trocknen zu lassen, ist aufgrund der aktuell kurzen Regenpausen zu aufwändig. Oh Moment, es regnet gerade nicht. Wir stürmen aus dem Zelt.
16.28 Uhr und bisher hat es nicht mehr geregnet. Das Wasser hat sich beruhigt und wir können uns wieder vorstellen, das Scandtrack Lager am morgigen Tag ohne zu kentern zu erreichen. Nachdem ein weiterer großer Fisch sich am Plättchen des Blinkers von mir durch das Wasser ziehen lässt und dann, in Sichtweite angekommen, einfach loslässt, probieren wir es nun mit Speck an einem normalen Haken. Ein Fischfang vor der Nahrungszubereitung würde unser Essen sehr aufwerten. Die Fresstonne wird leerer und unsere Kreativität beim Kochen ist jeden Tag mehr gefragt.
Wir machen einen kleinen Rundgang über die Insel; entdecken viele Pilze, die am Vortag definitiv noch nicht dort gestanden haben und essen Heidelbeeren. Auf dem See sind jetzt wieder vermehrt Kanuten auszumachen, die einen nahen Lagerplatz suchen, um morgen nicht so weit paddeln zu müssen. Indem wir auf die Felsen am Ufer stürmen und Präsenz zeigen, konnten wir bis jetzt verhindern, dass fremde Menschen in unsere Einsamkeit einfallen. Auf dieser Insel gibt es anscheinend nur einen Lagerplatz und der ist – dank Jedermannsrecht – von uns belegt. Wir sind nicht gewillt, ihn aufzugeben und mit unserem Zelt, dass nun seit ca. 18 Stunden zum ersten mal wieder trocken zu sein scheint, umzuziehen. Die Entscheidung, vorzeitig eine campnahe Insel anzusteuern, war definitiv die richtige. Wer weiß, wie morgen das Wetter wird und die knappen 3km schaffen wir notfalls auch im strömenden Regen.
Am anderen Ende der Insel ist eine kleine Hütte inkl. Plumpsklo und ein Schild weist deutlich darauf hin, nicht auf die Idee zu kommen, hier sein Zelt aufzubauen. Ines überlegt natürlich sofort, wie es wäre, so ein Urlaubsdomizil zu besitzen und nimmt kurzerhand Platz auf dem Bänkchen vor dem Haus, um schon einmal Probe zu sitzen.
Wir angeln und fotografieren um uns die Zeit zu vertreiben, bis der Bildstabilisator meiner Kamera unüberhörbar laut wird. Anscheinend macht die kondensierte Feuchtigkeit im Gehäuse bei der Übertragung der Daten von den Gyrosensoren Schwierigkeiten. Ich deaktiviere ihn und mache mir Gedanken, ob ich die Kamera einschicken und vier Wochen darauf verzichten möchte. Zum Abendessen gibt es Bohnen mit Speck, lange geräucherte Brotfladen und Knödel. Die Brotfladen werden jedoch in der Tonne verstaut, da wir einfach zu satt sind. Morgen werden sie zusammen mit den Resten aus dem Nutellaglas mal eine Abwechslung zum Roggen-Müsli-Brot sein. In Form einer Paddeltour um die Nachbarinsel machen wir einen kleinen Abendspaziergang und fallen nach unserer sportlichen Betätigung müde ins Bett.
Samstag, 31. Juli 2010:
Der Tag der Abfahrt ist gekommen. Dank regelmäßigem Tagebuchschreiben und elektronischer Hilfe konnten wir den Überblick über Wochentag und Datum behalten und werden nun nicht, wie ein Pärchen vor uns, einen Tag zu spät zum Lager zurückkehren. Nach einem gemütlichen Frühstück und dem Abbau unserer Basis stechen wir bei anscheinend relativ starkem Wind in See. Während ich einen Strommasten als grobe Richtung anpeile treibt es uns immer stärker ab und die Wellen werden höher, die Anstrengung größer. Die brechenden Wellen spritzen Ines, die im Bug sitzt, ins Gesicht und lassen sie samt Kanu in die Höhe hüpfen. Mit viel Kraft und 1,8 km/h nähern wir uns dann aber doch dem Scandtracksteg und können an Land gehen. Dort läuft alles deutlich entspannter ab, als bei unserer Ankunft. Unser Kanu übergeben wir direkt am Steg an eine Gruppe, tragen unsere Sachen zum Materiallager und sortieren dort unsere Sachen inkl. den restlichen Lebensmitteln und Scandtrackeigentum auseinander. Lungern anschließend ein wenig herum und verköstigen uns an übrig gebliebenen Teigfladen. Wir fühlen uns sauber genug und nutzen statt den Gruppenduschen lediglich das WC, bevor wir uns per pedes nach Lennartsfors aufmachen, um dort unsere 12 Kronen und 50 Öre – das Restgeld vom Angelschein – loszuwerden. Unser Gepäck verstauen wir, um es vor Regen zu schützen, unter einer Plane nahe der Küche. In Lennartsfors angekommen, ergattern wir ein paar schicke Angelhaken und die gekaufte Schokolade ist schneller verschwunden, als dass ich es hier beschreiben könnte.
Zurück im Camp bemerken wir, dass wir an einem Geocache an der Schleuse vorbei gelaufen sind und beschließen wenigstens den zweiten Cache im näheren Umkreis zu heben. Wir “verfolgen” einen Mann mit einem Garmin in der Hand in den Wald und werden auf einer Lichtung von ihm als Cacher enttarnt. Von dort aus geht es zu dritt durch den immer sumpfiger werdenden Wald. Ines hat mit ihren Sandalen die falsche Schuhwahl getroffen, was sie des öfteren dazu veranlasst, quietschende Laute von sich zu geben, wenn ihre Socken wieder ein bisschen nasser werden. Am Ziel finden wir ein museumsartiges Haus mitten im Wald, lesen Zeitungen aus den 50ern und tragen uns in das Logbuch ein. Nähere Informationen zu diesem Cache findet man unter GCXC5J.
Wir wandern zurück und reihen uns in die Schlange der Wartenden vor der Essensausgabe ein, um anschließend Köttbullar mit Kartoffeln und Salat zu mampfen. Mir schmeckt’s, Ines nicht so wirklich. Im Laufe des Nachmittags galt es nun lediglich unsere Lunchpakete abzuholen und das Gepäck in den Bus zu laden. Um 19.45 Uhr fährt der Bus ab und wir ergattern uns die Sitzplätze am Klo. Zwar steigt dort hin und wieder eine Wolke übelriechender Klochemie auf, aber dafür können wir die Füße hochlegen und sitzen so wesentlich bequemer als auf der Hinfahrt. Ein unschätzbarer Vorteil, wenn ich daran denke vielleicht sogar etwas schlafen zu können.
Das Einlegen einer DVD wird von der Masse bejubelt und wir ergötzen uns an den bewegten Bildern von Hangover. Ein Hoch auf die Medien. Ich bin glücklich, bis … ja, bis ich überlege einen Schluck Absinth zu mir zu nehmen, den ich mir für die Rückfahrt aufgespart hatte. Eine ausgezeichnete Idee, das wird mir das Schlafen vereinfachen. Wo war noch gleich der Absinth? In der Stativtasche. Wo war noch gleich die Stativtasche? SCHEIßE!!! Wo haben wir die eingepackt? Haben wir die überhaupt eingepackt? Eine kurze Rekonstruktion ergibt, dass sie sich höchstwahrscheinlich noch unter der Plane befinden musste, unter der wir vorhin unser Gepäck verstaut hatten.
Angesichts des Stativwerts, der den Preis des Urlaubs locker übertrifft, überlege ich auszusteigen und anschließend privat eine Rückfahrt zu organisieren, kann mich dann jedoch von Ines überzeugen lassen, erst einmal im Camp anzurufen, was ich sogleich tue, als mein Handy wieder Empfang hat. Der Fernseher schreit und ich brülle ins Telefon. Noch während dem Gespräch findet die Mitarbeiterin die Tasche und verspricht, sie mit dem nächsten Bus nach Deutschland zu schicken. Ines ist beruhigt und kann sich wieder auf den Film konzentrieren. Ich sitze noch eine ganze Weile zerknirscht im Bus und mache mir über den Rücktransport meine Gedanken. Dabei bemerke ich nicht, dass Ines’ Thermoskanne nicht wirklich dicht ist und sich klebriger Blubberlutsch über den Boden verteilt.
Der Film ist vorbei, der Bräutigam wurde wie erwartet auf dem Dach gefunden – schließlich habe ich den Film schon gesehen – und ein zweiter Film wird um 22.00 Uhr von der Sitzreihe hinter uns abgelehnt, da es ihnen zu laut wäre. Bitte? Ihr könnt danach immer noch 12 Std. schlafen ihr Schnarchtüten. Zum Glück legt nach 30 Min. einfach jemand Oceans 11 ein und wir sind für weitere 90 Min. abgelenkt.
Dann die erste Fähre, direkt erwischt, keine Wartezeit. Super! Die zweite Fähre, direkt erwischt, keine Wartezeit. Mist! Da wäre noch ein Geocache nur 700m entfernt versteckt gewesen. Trotzdem müssen wir aussteigen, da während der 45 minütigen Fahrt der Fahrzeugbereich geräumt werden muss. Immerhin haben wir teilweise sogar 20 Min. geschlafen. Ich kaufe mir vier verschiedene Sorten Lakritze, und komme so immerhin zu einem absinth-artigen Anisgeschmack. Lecker holländisches Lakritz, kenne ich auch schon aus dem Gummibärchenladen in der Stadt und bin ein großer Fan davon. Absinth selbst gibt es natürlich nicht im Board-Shop und auch der restliche Alkohol ist nicht gerade günstig.
Auf Fehmarn angekommen wird es bereits wieder hell und auch die Busfahrer scheinen aufgewacht zu sein, denn die beiden Busse liefern sich ein kleines Rennen. Ines bekommt davon wenig mit und dämmert bis Hamburg vor sich hin, wo wir an einer Raststätte halten. Ines trinkt einen Tee und ich muss fünf Minuten warten, da alkoholhaltige Getränke zu meinem Unwissen erst ab 7.00 morgens verkauft werden. Ja, wir sind eindeutig wieder in Deutschland! Das kalte Mixery schlägt mir leicht auf den Magen und ich entscheide mich für ein wenig Schlaf.
Um 8.30 Uhr kommen wir am Busbahnhof Hannover an, um 8.55 Uhr sitzen wir im Zug und ich unterhalte mich nett mit der Dame auf dem Sitzplatz neben uns. Sie ist verständnisvoll und ignoriert unseren Geruch und meine Schweißflecken, in denen man eine Entenfamilie hätte baden lassen können. In Hildesheim kauft sich Ines ein Croissant und ich stelle frustriert fest, dass es Calzone erst ab 9.30 Uhr gibt. Die Wartezeit ist mir eindeutig zu lange und so fahren wir mit dem Bus nach Hause. Dort schmeißen wir unsere Sachen auf den Boden, duschen, rufen Emails ab, schlafen, bestellen Döner, gucken TV und gehen wieder schlafen.